Leben in den USA - ein Gastschüler berichtet

Hallo liebe Schulgemeinschaft,

ich schreibe euch heute aus dem US-Bundesstaat Georgia im Südosten der USA, in dem ich seit etwas mehr als einem Monat mein Auslandsjahr verbringe. Die Zeit zuvor habe ich in Connecticut im Nordosten der USA verbracht, rund drei Flugstunden von Georgia entfernt. Ja genau, während man in drei Stunden von Europa aus einen anderen Kontinent erreichen kann, dauert ein Flug von der Ostküste bis hin zur Westküste der USA über sechs Stunden. Das Land ist groß und weitaus weniger kompakt besiedelt als Deutschland. Die Kleinstadt, in der ich in Connecticut gelebt habe, besteht aus 20 000 Einwohnern, ist flächenmäßig aber so groß wie Osnabrück. Der Abstand von einem Haus zum nächsten kann auf dem Land gut 50 Meter betragen. Auf ein Auto ist man hier angewiesen, einen öffentlichen Personennahverkehr gibt es nur in den großen Städten. Vor den Einfamilienhäusern, die von außen hin oft mit horizontalen Holzbalken bekleidet sind, stehen gerne mal bis zu fünf Autos. Es ist selbstverständlich, dass High School-Schüler im zarten Alter 16 oder 17 Jahren schon ihr eigenes Auto besitzen. Wer nicht selbst zur Schule fährt, nimmt den typisch gelben Schulbus, den man aus den Filmen und Serien kennt. Jeder dieser Busse hat eine feste Route und holt alle Kinder morgens ab und setzt sie am Nachmittag direkt am sogenannten Driveway wieder ab, eine Art private Zugangsstraße zum Haus. Dort findet man dann, im Süden mehr als im Norden, ein Schild mit der Aufschrift „Private Property“ oder „No Trespassing“. Der Schutz des eigenen Grundstücks wird sehr großgeschrieben, und nicht selten halten deren Besitzer Hunde, die einen hinterherjagen. Beim Laufen oder Spazierengehen machst du dann entweder einen großen Bogen um das Grundstück oder legst einen kleinen Sprint ein. 

Nicht nur zwischen Deutschland und den USA gibt es kulturelle Unterschiede, sondern auch zwischen dem Norden und dem Süden. Connecticut und der restliche Nordosten der USA sind liberal geprägt und werden von den Demokraten dominiert, auch wenn man hin und wieder Trump-Flaggen vor einigen Häusern sieht. Georgia und der südliche Teil der USA, hier einfach als „South“ bezeichnet, sind konservativ geprägt und werden von der republikanischen Partei dominiert. Dies gilt besonders für ländliche Gebiete: Georgia wird von zwei demokratischen Senatoren vertreten, da die Mehrheit der Wähler in den Städten auch im Süden für die Demokraten stimmt. Meine Gastfamilie in Connecticut schaute Nachrichten bei CNN, meine Gastfamilie in Georgia schaut Fox News. Aus der politischen Zugehörigkeit wird sowohl im Norden als auch im Süden kein Geheimnis gemacht. Neben Flaggen am Haus und Schildern im Vorgarten sagen dir manche Menschen von sich aus, wen sie gewählt haben. Religion ist besonders im Süden verankert: Im Minutentakt fährt man auf dem Highway an einer baptistischen Kirche vorbei, die entweder ein normales Wohnhaus, eine Veranstaltungshalle oder tatsächlich eine kleine Kirche sein kann, dessen Form an Kirchen in Deutschland erinnert. Christliche Botschaften findet man oft an Bäumen aufgehängt, und meine Gastfamilie hört neben Popmusik auch gerne christliches Radio. Der Gottesdienst ist komplett anders als in Deutschland, so gibt es beispielsweise vor jeder Messe ein Konzert und ein Buffet mit Donuts und Kaffee. 

Ich besuche hier in Georgia nun eine Schule, die weitaus kleiner ist als die in Connecticut. Die Fächerauswahl in Connecticut war ziemlich cool: So konnte ich beispielsweise Fächer wie Psychologie, US-Regierung, Menschenrechte oder Journalismus belegen, welche mir große Freude bereitet haben. Während viele deutsche Schüler Sport in einem Verein treiben, treten High School-Schüler einem der Sportmannschaften der Schule bei. Es gibt sogenannte Herbst-, Winter- und Frühlingssportarten. Am beliebtesten ist der American Football, dessen Saison im Herbst zum Schuljahresbeginn läuft. Die Mannschaften sind oft sehr ambitiös und die Spiele werden von vielen Zuschauern verfolgt, die für den Eintritt sogar zahlen. Im Stadion herrscht dann eine Atmosphäre, die ich in Deutschland nur aus dem professionellen Sport kenne. 

Die letzten Monate waren sehr bereichernd für mich und ich habe sie sehr genossen. Gleichzeitig geht die Zeit leider viel zu schnell vorbei, aber ich habe glücklicherweise noch einige Monate vor mir. Wenn auch ihr über einen Schüleraustausch nachdenkt, kann ich euch nur dazu ermutigen und möchte euch die USA dafür sehr ans Herz legen. 

Viele Grüße aus Georgia,

Younes Hamid 

  1. Start
  2. Aktuell
  3. Leben in den USA - ein Gastschüler berichtet