Ein Bericht aus Georgia, USA: Tierauktionen und Theater

Hallo liebe Schulgemeinschaft, 

seit ich mich letztes Mal bei euch gemeldet habe, ist viel passiert. Während ich mich im Januar noch in meine neue Gastfamilie in Georgia eingewöhnen musste, konnte ich mir in den vergangenen drei Monaten ein Alltagsleben aufbauen. Ein Bestandteil dessen ist eine Tierauktion, bei der ich jeden Freitag mithelfe. Die Auktion ist rund eine halbe Stunde von meiner Gastfamilie entfernt und eine der größten in Georgia. Verkauft werden Hühner, Eier, Wachteln, Ziegen, Schafe, Kühe und Pferde. Ab 14 Uhr können Verkäufer ihre Tiere registrieren, bis die Auktionen, die getrennt je nach Größe der Tiere stattfinden, ab 17 Uhr beginnen. Der Erlös geht an den vorigen Besitzer, wobei die Auktion eine Provision für sich beansprucht. Ich helfe in der Abteilung für Ziegen und Schafe mit, wo wir die Tiere registrieren und zu ihren Ställen führen, wo sie auf die Auktion warten. Um 19 Uhr, wenn die Auktion startet, wird es stressig. Im Schnelltakt werden die Ziegen und Schafe auf die Bühne geführt, verkauft, und ich geleite sie dann zu ihren Ställen. Der Auktionär spricht übrigens auf eine so unverständliche Art und Weise, dass er auch gleich chinesisch sprechen könnte. Da man manchmal auch mal härter zugreifen muss (natürlich ohne den Tieren dabei weh zu tun), sprechen meine Gastfamilie und ich scherzhaft vom „Goatwrestling“. Wenn ich dann um 23 Uhr erschöpft von der Auktion heimkehre, trage ich den Geruch der Tiere vollständig an Körper und Kleidung mit nach Hause. Tierauktionen habe ich während meiner Zeit in Connecticut übrigens nie gesehen, da die Einwohner dort anders als in Georgia üblicherweise keine eigene Farm besitzen. 

Wo wir bei Tieren sind: Anfang Februar hat eine der Hündinnen meiner Gastfamilie Welpen bekommen. Insgesamt elf waren es, und ich war live bei der Geburt dabei. Natürlich kann meine Gastfamilie nicht fünfzehn Hunde gleichzeitig halten, und deshalb haben sie neun der elf Hunde an neue Besitzer weggegeben, dessen Suche schon eine Herausforderung war. Meine Gastfamilie nennt die Welpen PJ (Pete Junior; benannt nach seinem Vater Pete) und Junior, wobei ich PJ auch gerne Benaissa nenne (benannt nach dem deutsch-marokkanischen Comedian Benaissa Lamroubal). PJ und Junior sind jetzt fast drei Monate alt, und in den drei Monaten sind sie wirklich sehr schnell gewachsen. Ich freue mich schon sehr darauf zu sehen, wie schnell sie in den sechs Wochen, in denen ich noch hier bin, wachsen. 

In meinem letzten Bericht habe ich bereits erzählt, dass die meisten Haushalte Hunde halten. Darüber hinaus haben einige, darunter auch meine Gastfamilie, ihre eigene kleine Farm. So hat meine Gastfamilie um die hundert Hühner, sieben Truthähne, drei Ziegen, zwei Hasen, viereinhalb Katzen (eine Katze wechselt zwischen zwei Familien und wir wissen nicht, welche die andere ist), und mit den zwei Welpen fünf Hunde, sowie einen kleinen Hund und eine Katze drinnen im Haus. Auf sehr großen Grundstücken sieht man ab und zu Pferde; glücklicherweise hat meine Gastfamilie eine Bekannte, der ich jeden Mittwoch mit ihren Pferden helfen darf.   

Ein weiteres Highlight war die Schulaufführung meiner Theaterklasse Ende April. Die Komödie thematisierte griechische Mythologie, betrachtet durch moderne Augen. Geprobt haben wir seit Februar, und ich bekam die Rolle des Halbgottes Orpheus, bekannt für seine Leier und die Sage von Orpheus und Eurydike sowie seiner Reise mit Jason und den Argonauten. Wie meine Gastfamilie bestätigen kann, war ich bereits Wochen zuvor sehr nervös und angespannt, aber als es dann endlich losging, hat es einfach nur noch Spaß gemacht. Theater ist fester Bestandteil der High School, so gibt es neben den regulären Theaterklassen auch Musical-AGs und die sogenannte Thespian Society, eine Art Auszeichnung für interessierte und talentierte Schüler im Bereich Theater. Sehr interessant zu sehen ist auch, dass an den Seiten jeder Bühne die amerikanische Flagge und die des Staates stehen, was einmal mehr den Patriotismus dieses Landes demonstriert. 

Wenn ihr euch die Bilder von meinem letzten Bericht anseht, könnt ihr sehen, wie kahl die Landschaft noch war. Jetzt, drei Monate später, ist der Peach State, wie Georgia auch genannt wird, richtig grün geworden, was meinem Erwartungsbild eines Südstaates überhaupt nicht entsprochen hat. Sehr schön ist insbesondere die Gegend um den Flint River, wie ihr im Bild nur unschwer erkennen könnt. 

Während des amerikanischen Bürgerkriegs (1861 – 1865) war Georgia Teil der Konföderierten Staaten, die sich unter Präsident Jefferson Davis von der Union als Reaktion auf die Wahl von US-Präsident Abraham Lincoln abspalten wollten. Lincoln und die nördlichen Bundesstaaten waren gegen Sklaverei, während der Süden für den Erhalt von Sklaverei kämpfte. Interessanterweise tragen noch heute viele Autos eine Plakette mit der Konföderiertenflagge; sie hängt außerdem vor vielen Häusern unter der US-Flagge. Die Flagge wird heutzutage vermutlich aus Stolz auf den US-amerikanischen Süden gehisst, ist andernorts aber sehr umstritten, da Gegner sie als Symbol für Sklaverei und Rassismus ansehen. Eine Straße in der Gegend heißt Jeff Davis Road, benannt nach Präsident Jefferson Davis, was mich schon sehr überraschte. 

Jagen ist eine sehr beliebte Beschäftigung in Georgia, sogar unter Jugendlichen, die jünger sind als ich. Oftmals hängen Jäger ihre „Trophäen“, also den ausgestopften Kopf der erschossenen Rehe, in ihre Zimmer. Ein Antik-Shop ging sogar so weit, die Rehe mit coolen Sonnenbrillen und anderen Verzierungen zu schmücken, was ich persönlich sehr schade finde. Der gleiche Shop hat übrigens einen ganzen ausgestopften Eisbären, wo ich mich frage, woher sie den haben. Neben Rehe, deren Fleisch einige übrigens verzehren, findet man zudem ausgestopfte Wildschweine, Truthähne und Enten. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie unterschiedlich die verschiedenen Regionen der USA sind, da ich so etwas in Connecticut noch nie gesehen habe. Ein weiteres Beispiel hierfür ist der in Georgia weit verbreitete Glaube, dass der Klimawandel nicht menschengemacht sei und er weitaus weniger schlimm sei, als alle behaupten. 

Viele Menschen fragen mich hier, ob ich mich auf meine Rückkehr nach Hause freue. Die Antwort ist, dass ich immer mehr daran denke, je näher das Datum meiner Heimkehr näher rückt. Ich freue mich schon darauf, bin ebenfalls aber auch glücklich darüber, noch sechs Wochen hier verbringen zu können. Die Schule endet für mich Ende April, sodass ich dann noch drei Wochen Ferienzeit mit meiner Gastfamilie verbringen kann, bevor ich die 12. Klasse im nächsten Schuljahr besuche.

Ich wünsche euch ein erfolgreiches Ende dieses Schuljahres, auch wenn dieses noch ein wenig hin ist. 

Viele Grüße aus Georgia

Younes Hamid

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