Hallo nach Deutschland!

Mein Name ist Malin und seit September 2022 verbringe ich ein Auslandsjahr in der kanadischen Provinz Nova Scotia. Nova Scotia liegt an der Atlantikküste Kanadas und zählt zu einer der drei Seeprovinzen. Egal an welchem Ort man sich in Nova Scotia befindet, man ist niemals weiter als 56km vom Meer entfernt.

Ich wohne hier gemeinsam mit einer anderen Austauschschülerin aus Brasilien und meiner Gastfamilie in der Kleinstadt Wolfville direkt am Wasser. Wolfville liegt ungefähr eine Autostunde von der Provinzhauptstadt Halifax entfernt im Annapolis Valley und zählt rund 5000 Einwohner. Obwohl sich das auf den ersten Blick erstmal nach einem winzigen, abgelegenen Örtchen anhören mag, ist Wolfville tatsächlich sehr belebt. Die Universität und dessen Campus, die Weingüter, die Waterfront, und eine kleine Einkaufsstraße mit netten Cafés und Pubs machen Wolfville zu einem beliebten Touristenziel. Die Umgebung ist sehr ländlich, es gibt viel Landwirtschaft, vor allem Wein- und Apfelplantagen, Wälder, Wasserfälle und atemberaubende Strände.

Ich besuche hier die 12. Klasse der Horton Highschool und mache daher den kanadischen Schulabschluss mit. Leider wird dieser jedoch in Deutschland nicht anerkannt, sodass ich nächstes Schuljahr zurück ans GidW kommen werde, um mein Abitur zu machen. Das kanadische Schulsystem ist weltweit bekannt für seine hohe Qualität. Ich persönlich nehme es als deutlich lockerer und offener als das deutsche wahr. Die Fächerauswahl ist um einiges vielfältiger und deckt nicht nur akademische Interessen ab. Die Hierarchien zwischen Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern sind flacher und es wird mehr Wert auf individuelle Förderung gelegt. Mein Stundenplan besteht momentan aus den vier Fächern Meeresbiologie, Yoga, Calculus und Kommunikationstechnologie, die ich täglich je 2 Stunden habe. Ich würde sagen, der Fokus liegt hier weniger auf dem Erbringen akademischer Leistungen, sondern eher darauf, Interessen und Stärken fürs spätere Leben zu finden und zu stärken. Es ist also ganz anderer Ansatz, weshalb ich gar nicht so einfach sagen könnte, welches der beiden Schulsysteme ich besser finde. Was ich aber auf alle Fälle positiv wahrgenommen habe, ist der sogenannte „School Spirit“, den ihr bestimmt aus den amerikanischen High School Filmen und Serien kennt. Ob es die Sportteams sind, Thementage, Prom oder andere Events, Schule ist hier viel mehr als nur ein Ort des Lernens. 

In den 9 Monaten, die ich hier mittlerweile schon verbringen durfte, habe ich wirklich eine ganze Menge Unvergessliches erlebt. Zum einen habe eine einige wundervolle Leute kennenlernen dürfen, darunter auch andere internationale Schülerinnen und Schüler, die genauso wie ich, ein Auslandsjahr in Kanada verbringen. Es sind viele wertvolle Freundschaften entstanden und obwohl ich erst in einem Monat wieder zurück nach Deutschland fliege, planen wir jetzt schon ein Wiedersehen. Es ist ein schönes und gleichzeitig betrübendes Gefühl, Freunde verteilt über der ganzen Welt zu haben.

Zum anderen habe ich die vielfältige kanadische Kultur lieben gelernt. Das Kanadierinnen und Kanadier sehr herzlich und offen sind, ist kein Klischee, sondern kann ich vollstes bestätigen! Auch die Begeisterung für Eishockey und Maple Syrup Taffies (Süßigkeit aus kochendem Ahornsirup, der über frischen Schnee gegossen wird) haben mir gut gefallen. Nur den Hype um die Schnellrestaurant-Kette Tim Hortons werde ich wohl nie nachvollziehen können. Solltet ihr mal nach Kanada reisen, investiert einen Dollar mehr und bestellt euren Kaffe lieber woanders. Den bekommt man wirklich kaum runter.

Den langen und kalten kanadischen Winter habe ich mehr oder weniger auf dem Snowboard oder mit Schneeschuhwandern verbracht -  wenn ich nicht gerade mal wieder bei -40 Grad Celsius vor eingefroren Fenstern Schneestürme abwarten musste. Im Februar hatte ich ganze 3 Schultage, da die Schule aufgrund von Kälte und Schnee häufig ausgefallen ist. Und auch im September saß ich aufgrund eines Hurricanes, der über Nova Scotia gefegt hat, für etwa eine Woche zu Hause. Wir hatten keinen Strom, Empfang und nicht mal fließendes Wasser. Das war auf jeden Fall mal eine Erfahrung wert, aber missen tue ich sie eher weniger.

Mittlerweile mit dem Sommereinbruch ist es natürlich auch hier wieder wärmer und grüner draußen geworden. Meine Freunde und ich gehen an den Wasserfällen schwimmen, wandern oder spielen Volleyball am Strand. Ihr seht also, die meisten Freizeitaktivitäten finden draußen statt. Kein Wunder, die kanadische Natur ist ja auch atemberaubend schön!

Außerdem habe ich für den High School Kader Rugby gespielt und habe eine unvergessliche Saison mit meinem Team verlebt. Wir sind für Turniere in verschiedene Provinzen gereist, hatten teilweise auch vor der Schule Training und sind wirklich eng zusammengewachsen. 

Abgesehen von den ganzen wundervollen Erinnerungen, wertvollen Bekanntschaften und verbesserten Englischkenntnissen nehme ich jedoch noch so viel mehr aus meinem Auslandsjahr mit. Für fast ein ganzes Jahr in ein fremdes Land zu ziehen, hat mich immer wieder dazu gezwungen, meine Komfortzone zu verlassen und eigenständig zu werden. Ich habe in dieser Zeit unglaublich viel über mich selbst gelernt und mich auf verschiedensten Ebenen weiterentwickelt, was ich in diesem Ausmaß niemals für möglich gehalten hätte. Oft hört man den Spruch „Bleib so wie du bist”, doch mein Auslandsjahr hat mir gezeigt, dass man keine Angst vor Veränderungen und Entwicklung haben sollte. Es eröffnet einem ganz neue Perspektiven, macht einen stärker und das Leben vielfältiger.

Auf meine Abreise, die immer näher rückt, schaue ich mit einem lachendem und weinenden Auge. Es ist ein bedrückendes Gefühl bald einen Lebensabschnitt, der mich geformt hat wie kein anderer, verlassen zu müssen, aber natürlich freue ich mich auch darauf, meine Familie und Freunde wiederzusehen. Und ja, besonders freue ich mich auch auf das deutsches Brot ;) Bevor es aber so weit ist, steht noch einiges an, wie z.B. der Prom, ein Campingwochende, eine Reise zur Westküste Kanadas und hoffentlich ganz viele sonnige Tage mit meinen Freunden. Allzu früh denke ich dann also doch nicht an zu Hause.

Ich hoffe sehr, dass ich euch mit meinem Bericht einen kleinen Einblick in mein Auslandsjahr geben konnte und vielleicht sogar bei dem einen oder anderen die Lust, die weite Welt außerhalb Deutschlands auch mal zu erkunden, erwecken konnte.

See ya soon, eh?

Malin

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